Pandemia - eine musikalische Vanitas
oder die kreative Kraft der Krise.
...und wenn wir über die Zeiten hinaus kommunizieren, uns in Leid und Lebendigkeit mittels Musik als Menschen berühren? Geteiltes Leid ist halbes Leid, und die Kunst bringt aus der Misere Neues hervor, überwindet mithin den Tod, der destruktiv waltet.
In „Pandemia“ lädt das Frankfurter Ensemble The OHOHOHS zu einer konzertanten Reise durch die Musik der Pandemien ein. Als Moment kollektiver Krisenbewältigung werden bedeutende musikalische Werke vergangener Pandemien in OHOHOHScher Manier bearbeitet und gemeinsam mit namenhaften Musiker:innen auf die Bühne gebracht. Moderiert wird das Konzert durch eine:n Conférencier:ère, eine Person, die dem Publikum die historischen Zusammenhänge in spannenden Anekdoten näherbringt. Vom Bild des “Totentanzes”, dass sich in der großen Pestepidemie im 14.Jahrhundert etabliert hat über die spanische Grippe bis zur heutigen Corona-Pandemie laden The OHOHOHS ihre Zuhörer:innen zu einer Reise ein, in der die Musik als verbindendes Element Schicksale von heute und damals vereint. In dem Moment der Rezeption wird das Leid, aber auch die Hoffnung, die Solidarität und die Lebenslust ehemals schwieriger Zeiten erfahren. Das Damalige wird in die Jetztzeit geholt und doch ist gleichsam das Ende dieser vergangenen Krisen bewusst. Dies vermittelt Hoffnung, dass auch die aktuelle Pandemie ihr Ende finden wird.
Neben den Werken vergangener Krisenzeiten präsentieren The OHOHOHS an diesem Abend zudem ihre Eigenkompositionen als Zeitzeugnis der aktuellen Pandemie, darunter alle 3 Sätze ihrer Sinfonie N° 1 – “Coronasinfonie”. Die Werke stehen dabei für einen Ausblick nach vorne, werden sie doch irgendwann selbst ein Stück Zeitgeschichte für die Folgegenerationen sein – für die Generationen, in denen die Coronapandemie Vergangenheit bedeuten wird.
Die Idee
Seit jeher bildet die Musik gesellschaftliche Prozesse ab. Wenn man die Pandemien in Europa der letzten Jahrhunderte betrachtet, kann man immer auch ihre Wirkung auf die Musikwelt feststellen. Gesamtgesellschaftliche Erfahrungen finden einen künstlerischen Ausdruck, werden gestaltet und als Zeitmoment festgehalten, derart, dass Menschen Musik auf der emotionalen Ebene auch über die Jahrhunderte hinweg verstehen können. In dem Moment der Rezeption der Werke von damals erlangen die Zuhörer:innen eine Idee von den ehemals schwierigen Zeiten. Das Damalige wird in die Jetztzeit geholt. Blicken sie gleichsam von heute auf vergangene Krisen, wissen sie um deren Ende. Dies vermittelt Hoffnung, dass auch die aktuelle Pandemie ihr Ende finden wird. Gleichsam bilden Werke kollektive Krisenerfahrungen der aktuell schwierigen Zeit ab und schreiben mithin ein Stück Zeitgeschichte für die Zukunft.
Das Konzert
THE OHOHOHS gestalten ein aus der Krise geborenes Programm, das sich in seinem Aufbau an dem Spiralmodell der Trauer- und Krisenbewältigung nach Erika Schuchhardt orientiert. Laut der Forscherin Erika Schuchhardt durchlebt der Mensch acht Phasen der Krisenbewältigung: Ungewissheit, Gewissheit, Aggression, Verhandlung, Depression, Annahme, Aktivität, Solidarität. Gleichsam werden musikalische Ausdrücken all dieser bezeichnenden Attributen einer Krise aufgegriffen und in ohohoh´scher Interpretation, gemeinsam mit namenhaften Gastmusiker:innen auf die Bühne gebracht. Das Konzert versteht sich mithin als Moment kollektiver Krisenbewältigung.
Gemeinsam mit den Musiker:innen reist das Publikum durch die Europäische Musikgeschichte, nimmt Teil an Schicksalen grosser Komponist:innen und erlebt den Nachhall vergangener Zeiten durch die universelle Sprache der Musik. Doch belassen es THE OHOHOHS nicht allein bei einer musikalischen Auswahl und deren Darbietung. Sie haben sich in ihrem Schaffen zum Ziel gesetzt, klassische Musik mit zeitgenössischer Clubmusik zu verbinden und derart einen wertfreien Dialog zwischen E-und U-Musik herzustellen. Behutsam, immer die Wertigkeit der Klassik im Blick, und doch mutig, manchmal auch frech, soll Hörer:innen aller Altersgruppen die Schönheit dieser einmaligen Musik gezeigt werden, und durch die Fusion mit dem Jetzt in die Neuzeit geholt werden.
Gemeinsam mit den Gastmusiker:innen wird derart ein Abend für ein generationenübergreifendes Publikum erarbeitet, der die Menschen in eine hoffnungsvolle Zukunft entlässt. Das Konzert wird sowohl live aufgeführt, wie zudem von einem professionellen Kamerateam gefilmt und in Echtzeit gestreamt. So kann das Konzert, unabhängig der aktuellen Coronasituation, stattfinden.
Das freie Ensemble, The OHOHOHS:
Ein Kammermusikensemble, das klassischer Musik auf analogen Instrumenten über den Umweg elektronischer Reorganisation zurück in die Zukunft verhilft: Aus Band wird Kapelle wird Band, aus Club wird Konzertsaal wird Club, aus Disco wird Festspiel wird Disco – stets mit dem Anspruch, Bühnen mit dem Repertoire der alten Meister hypermodern zu rocken. (Wiesbadener Kurier)
The OHOHOHS, das sind Florian Wäldele, ein klassischer Pianist, der schon im Studium durch seine Professorin Catherine Vickers die zeitgenössische Klaviermusik lieben lernte, und Florian Dreßler, Perkussionist und Schlagwerker mit großer Neugier für das Polyrhythmische und afrokubanische Rhythmuskonzepte. 2005 begann das Frankfurter Duo mit Synthesizer, Schlagwerk und Sampler zu experimentieren. 2014 wollten die beiden Musiker zurück zu den Wurzeln ihrer gegensätzlichen Instrumente und hoben parallel das Oh!chestra aus der Taufe: Klassische Musik, gespielt auf Konzertflügel und Schlagwerk, mal als Neu-Arrangement (J.S.Bach: Partita Tech, L.v.Beethoven: 3. Satz der Mondscheinsonate, F.Schubert: Floating Schubert), mal als Eigenkomposition. 2018 fusionieren die beiden Projekte unter dem Namen "The OHOHOHS" und setzen seither ihren Kurs der Adaption klassischer Werke (J.S.Bach: Bach-Präludium, L.v.Beethoven: 1. und 2. Satz der Mondscheinsonate, F.Schubert: Der Tod und das Mädchen, Rachmaninoff: Prelude Cis-Moll, Op.3, Nr.2) sowie der Komposition eigener Stücke (The OHOHOHS Sinfonie N° 1 – Corona-Sinfonie) in ihrer OHOHOHS-typischen Weise fort.
PANDEMIA – Eine musikalische Vanitas
"Sind nicht Kreuze im Leben wie Kreuze in der Musik, da, um etwas zu erhöhen?" - Ludwig van Beethoven
Krisen konfrontieren uns mit dem Unbekannten, sie überfordern uns, werfen uns auf uns selbst zurück. Auf dem Weg, Krisen zu bewältigen, durchlaufen wir Menschen (nach Prof. Erika Schuchhardt) acht Stadien emotionaler Zustände. Ungewissheit, Gewissheit, Aggression, Verhandlung, Depression, Annahme, Aktivität, Solidarität. Beethovens Zitat wird erst durch seine persönliche Krise, die Taubheit, verständlich und zeigt, welch große Kraft in der Überwindung von Krisen stecken kann: Sie lassen uns Berge versetzen! Der künstlerische Umgang mit Krisen drückt auf eine sehr eigene Art diese emotionale Intensivität aus.
Gemeinsam wollen wir auf musikalische Art eine Krise durchleben, teilhaben an den Schicksalen von Komponist:innen quer durch die Jahrhunderte, allesamt getroffen von den großen Pandemien dieser Welt.
Programm:
Unsicherheit
Salve Regina - Alessandro Grandi (1590 – nach Juni 1630)
Bearbeitung für Klavier, Schlagwerk, Bass, Orchester und Sopran
Die Anrufung der "Königin", der heiligen Mutter Gottes, symbolisiert den Wunsch, den Grund einer Krise dem Reich des Übernatürlichen zuzuschreiben, als Reaktion auf menschliche Verfehlungen und Sünden. Irrationalität herrscht, man sucht Schuldige und richtet den Zorn auf Sie. Der Schrecken beginnt.
Gewissheit
Rondoh - The OhOhOhs
Eigenkomposition für Klavier und Schlagwerk
Eine musikalische Verbindung von barocker Tanz- und zeitgenössischer Clubmusik.
Sinfonie Nr. 25, g-Moll - W. A. Mozart (1756-1791)
Bearbeitung für Orchester, Klavier, Schlagwerk und Bass
“Heute wollen wir prassen, denn morgen sind wir tot!« – Es war, als hätten sie das in Musik
gesetzt, um es auf mannigfaltigen Instrumenten in einem unendlichen Höllenkonzert zu
spielen. Ja, wären nicht alle Sünden schon vorher erfunden gewesen, so wären sie es hier
geworden, denn es gab keinen Weg, den sie in ihrer Verwerflichkeit nicht eingeschlagen hätten. Die unnatürlichsten Laster blühten unter ihnen, und selbst so seltene Sünden wie
Nekromantie, Zauberei und Teufelsbeschwörung waren ihnen wohlbekannt, denn da waren
viele, die vermeinten, bei den Mächten der Hölle den Schutz zu finden, den der Himmel
nicht hatte gewähren wollen.”
Aus: Die Pest in Bergamo, Jens Peter Jacobsen (1847-1885)
Aggression
Dies Irae - Guiseppe Verdi (1813-1901)
Bearbeitung für Klavier, Schlagzeug, Bass und Sampler
Das Dies Irae (Tag des Zorns) ist ein uralter Gregorianischer Choral. Der Hymnus handelt vom Jüngsten Gericht und wird bei Totenmessen gesungen. Die Tonfolge ist ein durch die Jahrhunderte oft bearbeitetes und zitiertes Thema. Giuseppe Verdis Dies Irae aus seinem Requiem demonstriert auf sehr eindrucksvolle Art und Weise den in Musik gegossenen Zorn Gottes.
Verhandlung
Preludio No. 2 - Antonio Fragoso (1897-1918)
Bearbeitung für Klavier, Schlagzeug und Bass
Der an der Spanischen Grippe 1918 mit nur 21 Jahren verstorbene portugiesische Komponist Antonio Fragoso gilt als der herausragendste portugiesische Komponist des 20. Jahrhunderts. In der Bearbeitung für Klavier, Schlagzeug und Bass führen die Instrumente einen Dialog, sie sprechen miteinander.
Depression
Der Tod und das Mädchen - THE OHOHOHS
Bearbeitung des Streichquartetts Nr. 14, d-Moll, op. post., D 810 von Franz Schubert (1797-1828) für Klavier, Schlagwerk, Sopran und Orchester. Eine musikalische Vanitas.Text: Matthias Claudius, "Der Tod und das Mädchen" (1774).
In der Depressionsphase werden wir mit der unweigerlichen Konsequenz der menschlichen Vergänglichkeit konfrontiert: Dem Tod. Das Vanitas-Motiv in der Kunst beschäftigt sich mit dieser Vergänglichkeit (Vanitas, lat. ”Eitelkeit”). Musikalisch wird das Motiv oft in Form eines “Totentanzes” interpretiert, ein nahezu menschlich wirkender Tod interagiert mit den Lebenden, ruft und lock sie, eine enttabuisierte Form des Todes als greifbares Gegenüber.
Annahme/Aktivität
You take my breath away – Freddy Mercury (1946-1991)
Bearbeitung für Klavier, Schlagwerk, Sopran und Orchester.
„Die Unterseite seines Fußes war eine völlig offene Wunde. Er muss schreckliche Schmerzen gehabt haben, aber das sieht man nicht. Man sieht nur einen Mann und sein Schicksal. Aber unabhängig davon, ob er Schmerzen hatte oder nicht, er hat immer seine Leistung erbracht. Er wollte keine Extrabehandlung. Er war so tapfer. Im Nachhinein wäre es so einfach gewesen, eine Diva zu sein, aber so war er nicht.“
Rudi Dolezal, Regisseur
Solidarität
Corona-Sinfonie (Uraufführung) - THE OHOHOHS
Eigenkomposition in drei Sätzen für Klavier, Orchester, Schlagwerk, Sopran und Sampler.
1.Satz: allegro moderato
2.Satz: adagio
3.Satz: scherzo
Das Werk setzt sich mit der aktuellen pandemischen Situation auseinander und ist Kernstück des Projektes "Pandemia – Eine musikalische Vanitas”. Der ursprüngliche Titel lautete: PANDEMIA – Die kreative Kraft der Krise, und dieser zeigt uns sicherlich deutlich, was eine Krise uns gewiss lehren kann: Unsere Zeit auf Erden ist endlich. Lasst sie uns nutzen!
THE OHOHOHS
Klavier – Florian Wäldele
Schlagwerk – Florian Dreßler
Sopran – Maja Bader
Bass/Synthesizer- Frieder Gottwald
Orchesterleitung OMNIA-Orchester/1.Violine – Michael Strecker
2.Violine - Ines Strecker
Bratsche – Karolina Rybka
Cello – Attila Hündöl
Erzähler - Gregor Praml
Idee – Lydia Galonska-Wäldele
Ton - Jörg See
Ton Bühne - Sebastian “Buddy” Neumann
Das Projekt wird im Rahmen des Programms “Neustart Kultur” durch den Deutschen Musikrat im Namen der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien gefördert.